Mittwoch, 14. Dezember 2011

die Nacht ist vorgedrungen

 
Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen
dem hellen Morgenstern!
Auch wer zur Nacht geweinet,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
auch deine Angst und Pein.


Dem alle Engel dienen,
wird nun ein Kind und Knecht.
Gott selber ist erschienen
zur Sühne für sein Recht.
Wer schuldig ist auf Erden,
verhüll nicht mehr sein Haupt.
Er soll errettet werden,
wenn er dem Kinde glaubt.

Die Nacht ist schon im Schwinden,
macht euch zum Stalle auf!
Ihr sollt das Heil dort finden,
das aller Zeiten Lauf
von Anfang an verkündet,
seit eure Schuld geschah.
Nun hat sich euch verbündet,
den Gott selbst ausersah.

Noch manche Nacht wird fallen
auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert mit uns allen
der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte,
hält euch kein Dunkel mehr,
von Gottes Angesichte
kam euch die Rettung her.


Gott will im Dunkel wohnen
und hat es doch erhellt.
Als wollte er belohnen,
so richtet er die Welt.
Der sich den Erdkreis baute,
der lässt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht.

~ Jochen Klepper ~ 1938
* 22.März 1903 †11. Dezember 1942



Dieses Adventslied berührt mich immer wieder zutiefst.

Besonders, wenn man bedenkt, wann es geschrieben wurde. Nämlich 1938, als die Nazis schon ihr Unwesen trieben, als im November 1938 der Hass auf die Juden mit der Reichskristallnacht öffentlich wurde, und der Zweite Weltkrieg kurz vor dem Ausbruch stand.

In der Nacht vom 10. zum 11. Dezember 1942 nahm sich Jochen Klepper mit seiner Familie das Leben, um einer Zwangsscheidung von seiner jüdischen Ehefrau Johanna und der Deportation vorzubeugen.

Ende 1942 scheiterte die Ausreise der jüngsten Tochter ins rettende Ausland und ihre Deportation stand unmittelbar bevor. Überdies musste Klepper nach einer persönlichen Auskunft von Wilhelm Frick annehmen, dass Mischehen zwangsweise geschieden werden sollten und damit auch seiner Frau die Deportation drohte. Die Familie nahm sich in der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 1942 durch Schlaftabletten und Gas gemeinsam das Leben. Die letzte Eintragung im Tagebuch Kleppers lautet: „Wir sterben nun – ach, auch das steht bei Gott. Wir gehen heute nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des Segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben.“ – Die Familie Klepper wurde auf dem Friedhof Nikolassee bestattet.

Noch manche Nacht wird fallen
auf Menschenleid und -schuld.

Das war, angesichts des drohenden Krieges eine böse Vorahnung. Bis 1938 hatte Jochen Klepper schon einige Unannehmlichkeiten durch die Nazis zu erdulden, u.a. Berufsverbot als Journalist seit 1937.

Und doch klingt in diesem Lied so sehr die Hoffnung durch, das die dunkle Nacht des dritten Reiches enden wird und der helle Morgenstern alle Angst und Pein heilt.

 

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Wunderschön - vielen Dank dafür!

:Dorothee